Das neue Jahr beginnt – der Wahlkampf beginnt!

Gestern war unser grüner Neujahrsempfang, der sehr gut besucht war.
Das war der Start in das Wahlkampfjahr 2013.
Ich habe mich wirklich über die interessante Mischung an Menschen gefreut, die dort alle anwesend waren.

Am selben Tag kam auch der Zeitungsartikel „Es fehlen günstige Wohnungen“ in der SWP.

Ulmer Stadtentwicklung: „Es fehlen günstige Wohnungen“

Auf Städte wie Ulm rollt das Problem fehlender Wohnungen zu. Vor allem das preisgünstige Dach überm Kopf ist Mangelware, sagt Annette Weinreich, Stadträtin, Architektin, wohl bald Bundestagsabgeordnete.

HANS-ULI THIERER | 06.01.20131 MEINUNG

Seit drei Jahren ist Annette Weinreich Stadträtin. Die Grüne – seit 1997 – gehört am Ratstisch zu den Aktivposten. Vor allem, wenn es um das Spezialgebiet der gelernten Architektin geht: die Stadtentwicklung im Allgemeinen und den Wohnungsbau im Speziellen. Weinreich, geboren 1963 in der Ulmer Weststadt, nimmt Verwaltungsvorlagen und -vorgaben nicht als gottgegeben hin, tritt immer wieder als Kritikerin auf und damit und bei aller Wertschätzung gelegentlich vor allem Baubürgermeister Alexander Wetzig auf den Zehen herum.

Die verheiratete Mutter zweier heranwachsender Kinder – Luci (14) und Luke (16) –, die am Gymnasium St. Hildegard Abitur gemacht und in Biberach studiert hat, führt als freie Architektin zusammen mit Roberto Carnevale ein Büro, das Arc-Studio. Sofern das Hoch der Grünen bis zum Herbst anhält, wird Annette Weinreich Ende 2013 in den Bundestag einziehen. Sie ist auf der Landesliste ihrer Partei auf Platz 13 sehr aussichtsreich platziert. Lebensmotto nach Goethe: „Es ist nicht genug zu wissen – man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen – man muss auch tun.“

 

Frau Weinreich, was sind die Kernprobleme der Ulmer Stadtentwicklungspolitik?

ANNETTE WEINREICH: Die Stadtentwicklung ist ein langfristiger Prozess, man kann nicht mal schnell auf aktuelle Belange reagieren. Die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung zeigen drei Tendenzen als Orientierungshilfen: Erstens ziehen in ganz Europa immer mehr Menschen vom Land in die Stadt. Zweitens geht die Schere zwischen arm und reich auseinander. Drittes wird die Bevölkerung immer älter.

 

Konsequenzen daraus?

WEINREICH: Die Stadt muss verdichtet werden. Gleichzeitig muss das Dorfleben attraktiv bleiben.

Das ist eine Politik des Alleswollens.

WEINREICH: Die Dörfer und Gemeinden im Speckgürtel dürfen nicht zu reinen Schlafstädten verkommen. Aber Städte müssen den richtigen Mix an Wohn- und Gewerbeimmobilien anbieten. Stadtentwicklungspolitik hört nicht an der Stadtgrenze auf.

Eine Doppelstrategie also.

WEINREICH: Ja, wir brauchen einerseits die kompakte Stadt mit ihren kurzen Wegen, der Funktions- und Bevölkerungsmischung, effizientem öffentlichem Nahverkehr und großzügigen Grünflächen. Und andererseits die Erhaltung oder Wiederbelebung umliegender Dörfer.

Wo klemmt’s im Wohnungsbau?

WEINREICH: Ganz einfach: In Ulm fehlen günstige Wohnungen. Mietwohnungen – auch die, die neu gebaut werden – liegen meist über dem mittleren Mietspiegel, sind also zu teuer. Vor allem werden keine Sozialwohnungen mehr gebaut. Im Gegenteil, jedes Jahr fallen Wohnungen aus der Belegungsbindung heraus. Mir ist unerklärlich, warum das Landeswohnraumförderprogramm in Ulm nicht in Anspruch genommen wird.

Weil mit diesem Programm nicht wirtschaftlich zu kalkulieren ist . . .

WEINREICH: . . . wie es der freie Markt tue, heißt es gern. Aber gerade das unterscheidet ja eine Kommune von klassischen Bauträgern. Ganz sinnlos kann das Programm nicht sein. 2012 wurden 15 Anträge auf die Förderung von 217 Wohneinheiten gestellt in einem Gesamtvolumen von 20 Millionen Euro.

 

Wirkt landesweit eher wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.

WEINREICH: Aber besser als nichts. Die meisten Anträge kamen aus Groß- und Universitätsstädten. Aus Ulm kam nichts.

Wie hoch wäre die Miete in solchen Wohnungen?

WEINREICH: In übers Landesprogramm finanzierten Wohnungen kostet die Miete 5,60 Euro pro Quadratmeter, die neuen Wohnungen, die die UWS im Türmle bauen wird, kosten dagegen e 8,50 Euro. Was bisher gar nicht beachtet wird. Ohne günstigen Wohnraum könnten wir langsam auf einen Arbeitskräftemangel in Berufen mittlerer und unterer Einkommen zusteuern.

Wie ist Abhilfe zu schaffen? Wie kommen wir zu mehr günstigem Wohnraum in der Kernstadt?

WEINREICH: Zuerst sollte die kommunale Wohnungsbaugesellschaft UWS tatsächlich mit gutem Beispiel voran gehen, und Wohnungen über besagtes Landeswohnraumförderprogramm finanzieren. Das ist nur eine Frage des politischen Willens.

Was ist mit der vorbildlich genannten Ulmer Grundstückspolitik?

WEINREICH: Wir sollten die Bodenvorratspolitik verstärkt für Wohnungsbauprojekte einsetzen. Bei gewerblichen Vorhaben funktioniert es ja auch, siehe Sedelhöfe. Gerade in den innerstädtischen Sanierungsgebieten wie im Dichterviertel oder Wengenviertel sollte die Stadt Einzelgrundstücke erwerben und bei der weiteren Planung oder dem Verkauf soziale Zwecke einfordern.

Ist die Privatwirtschaft außen vor?

WEINREICH: Auch die Investoren müssen mit in die Pflicht genommen werden. Die Preise für Eigentumswohnungen im Erstkauf sind in Ulm seit dem Jahr 2007 stark gestiegen – um rund 50 Prozent. Das erklärt, warum die Investoren fast ausschließlich Eigentumswohnungen hinstellen, bei sehr moderaten Preisen für städtische Grundstücke.

Was sollte daraus resultieren?

WEINREICH: Es sollten Bauträger bevorzugt werden, die sich verpflichten, ihre Bestände nicht weiterzuverkaufen, die langfristig investieren und geförderten Wohnungsbau realisieren. Längst haben Städte wie München oder Stuttgart die Problematik erkannt, obwohl sie in der Grundstücksvorhaltepolitik nicht so effizient agieren können wie Ulm. Dort gibt es Programme wie ,sozialgerechte Bodennutzung’ in München oder das ,Stuttgarter Innenentwicklungsmodell’.

Was lehren die Modelle uns Ulmer?

WEINREICH: Beide Programme fordern über neue Bebauungspläne höherwertige Nutzungen oder verdichtete Grundstücksausnutzung ein. 20 Prozent der neuen Geschossflächen werden sozial gebunden.

Wäre das ein Weg in Ulm?

WEINREICH: Immerhin hat der Gemeinderat einstimmig beschlossen, dass die Verwaltung eine Konzeption zur Förderung von Wohnraum vorbereiten soll, die sicherstellt, dass im Geschosswohnungsbau 20 Prozent als preisgünstiger Mietwohnraum entstehen. Das ist mal ein erster Schritt.

Kommt die Stadt ganz allein aus der Malaise?

WEINREICH: Nein. Wohnraumversorgung, noch dazu klimaneutral und sozial gerecht, ist Aufgabe aller, also für Bund, Land und Kommune.

Sie werden wohl 2013 Bundestagsabgeordnete. Sie wollen die Wohnraumversorgung zu einem Schwerpunkt zu machen. Haben die Grünen da Defizite?

WEINREICH: Nein, nicht die Grünen haben Defizite, die Politik der vergangenen Jahre hat die Problematik verschärft. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, also Minister Ramsauer, hat seinen Schwerpunkt auf Straßenbau gelegt, er ist kein Wohnungsbau- oder gar Stadtentwicklungsminister. Er hat in der Berliner Haushaltsdebatte tatsächlich gesagt, er freue sich über so viele Baustellen entlang der Autobahnen . . .

. . . die auch ein Konjunktur- und Strukturprogramm sind.

WEINREICH: Ich finde, man hätte das Geld besser in andere Projekte gesteckt. Aber: Das Programm soziale Stadt wurde um die Hälfte zusammengestrichen; es wird nichts unternommen gegen die Preisspirale auf dem Wohnungsmarkt; der Mangel an energetisch sanierten, altersgerechten Wohnungen wird ignoriert; es wird toleriert, dass der Bund Wohnungen verscherbelt und Mieter in die Hände von Finanzinvestoren fallen . . .

Stopp, stopp, stopp, wir wollen keine Philippika gegen die Merkel-Regierung hören.

WEINREICH: Was heißt Philippika? Ich prangere an, dass wir in Deutschland 5,6 Millionen Sozialwohnungen brauchen, dass es aber nur noch 1,6 Millionen gibt – und es werden immer weniger.

Zurück nach Ulm: Sie sind Architektin. Wie gefallen Ihnen die modernen Gebäude, die entstanden sind?

WEINREICH: Es ist unglaublich, wie viel in Ulm gebaut wurde. Ich habe beileibe nicht für alle Gebäude eine gute Bewertung. Teilweise ist mir der schlichte architektonische Ulmer Stil zu einseitig.

Was missfällt Ihnen?

WEINREICH: Ich sage lieber, was mir gefällt. Das ist Vieles, ganz vorne die Synagoge, die Weishaupt-Kunsthalle und das Stadtregal, das ich als gutes Beispiel für eine Umnutzung betrachte.

Wo ist Ihr Aber?

WEINREICH: Generell wird zu viel abgerissen, statt wiederverwertet, umgenutzt oder modernisiert.

Außer den erwähnten: Ist ein Neubau ihr Favorit?

WEINREICH: Gelungen ist die Architektur des Hauses der Museumsgesellschaft in der Neuen Mitte.

Warum?

WEINREICH: Es zeigt wunderbar, wie erhalten und wiederverwendet werden kann. Die rote Aluminiumfassade ist moderne Architektur, dahinter lässt sich die historische Gebäudestruktur erahnen.

Sie zoffen sich häufiger mit dem Ulmer Ober-Architekten, Baubürgermeister Alexander Wetzig. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm fachlich?

WEINREICH: Na ja, zoffen? Ich würde es politischen Diskurs nennen. Fachlich halte ich auf ihn sehr große Stücke. Ulm hat mit diesem Baubürgermeister einen Glücksgriff gemacht. Es ist nicht einfach, all die Strömungen aus Politik, Verwaltung und Persönlichkeiten unter einen Hut zu bringen und trotzdem anspruchsvolle Architektur durchzusetzen. Es gibt genügend Städte, die einem zeigen, wie es aussieht, wenn das Bauressort von einem Nicht-Fachmann geleitet wird.

Und persönlich?

WEINREICH: . . . haben wir kein Verhältnis.

Passend zu meiner Rede, die auch hier:  Rede Neujahrsempfang 2013 in voller Länge nachgelesen werden kann.

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