Während die Bürgerbeteiligung bei großen Projekten wie z.B. dem City-Bahnhof ganz groß angelegt wurden – und sich dennoch einige Unstimmigkeiten herausstellten wegen nicht neutraler Moderation – läuft bei kleineren Bauvorhaben alles nach dem alten Muster:
Aufstellungsbeschluss
Auslegungsbeschluss – mögliche Beteiligung
Satzungsbeschluss
Gerade weil immer mehr der Vorhabenbezogene Bebauungsplanangewendet wird, müssen die Bürgerinnen und Bürger auch hierbei mehr eingebunden werden. Mit dem klassischen Verfahren ist es dabei nicht getan und Informationsveranstaltungen ersetzten auch keine echte Beteiligung.
Bürger sollen bei Bauprojekten mitreden dürfen
Die Verwaltung soll eine Informationsveranstaltung für den Gemeinderat organisieren, um zu klären, inwieweit sich Bürger bei der Planung von kleineren Bauprojekten beteiligen können, etwa bei den anstehenden Wohnungsbauprojekten. Das fordern die Ulmer Grünen-Stadträte Birgit Schäfer-Oelmayer, Annette Weinreich und Michael Joukov in einem Antrag an Oberbürgermeister Ivo Gönner.
Am Beispiel der „Neuen Mitte“ habe die Ulmer Stadtgesellschaft schon vor Jahren gezeigt, wie sie mit einer Bürgerbeteiligung umgehen kann. Aus einer anfangs ungeliebten Bewegung sei ein Vorzeigemodell geworden. „Diese Erfolgsstory ist nicht nur den Planenden und der Verwaltung zuzuschreiben, sondern auch dem großen Engagement der Ulmer Bürgerschaft“, loben die Grünen. Selbst beim Projekt City-Bahnhof bekomme das „Experiment Bürgerbeteiligung“, das es im Moment noch sei, neue Aspekte.
Nun stelle sich aber auch immer mehr die Frage, wie denn die Beteiligung der Bürger bei den weniger spektakulären Bauvorhaben, beispielsweise den Verdichtungsmaßnahmen zugunsten des Wohnungsbaus im Innenbereich, angewendet werden kann. „Aus unserer Sicht reicht das der Bauleitplanung zugrunde liegende Beteiligungsverfahren in Form von Auslegung und Stellungnahmen bei Weitem nicht aus, um den heutigen Ansprüchen gerecht zu werden.“
Zu den Unstimmigkeiten bei der Bürgerbeteiligung zum City-Bahnhof:
Zitat SWP vom 20.04.2012:
„Annette Weinreich hielt der Verwaltung vor, mit Tricks verhindern zu wollen, dass eine oberirdische Überquerung von Bahnanlagen und Friedrich-Ebert-Straße im Spiel bleibe.“
Multimega-Projekt Bahnhof
„Eine Herkules-Aufgabe“ nennt Baubürgermeister Alexander Wetzig den Totalumbau des Bahnhofsareals, also das Projekt City-Bahnhof. Immerhin: Ein ehrgeiziger Fahrplan fürs Jahrhundertprojekt steht nun.
Das Dickicht lichtet sich, klar ist eh: Was S 21 für Stuttgart, das ist das Konzept City-Bahnhof für Ulm, nämlich das größte Stadtentwicklungsvorhaben nach dem Krieg. Nicht mehr und nicht weniger. Das wurde in der jüngsten Sitzung des zuständigen Fachausschusses deutlich, in der – wie kurz berichtet – zweieinhalb Stunden lang derart über das Vielfach-Millionenprojekt diskutiert wurde, wie es sich dem Laien darstellt: komplex, kompliziert, einerseits entlang großer Linien, andererseits über unzählige Details, die einem solchem Mega-Vorhaben eigen sind. Prinzipiell: Alle Fraktionen tragen die Neugestaltung des Bahnhofsgeländes samt Umgebung mit, es herrscht aber Uneinigkeit über Einzelheiten.
Unter Regie des Städtebau-Abteilungschefs Helmut Kalupa und des Projektbeauftragten Harald Walter hat die Bauverwaltung drei Entwicklungsphasen und einen Zeitfahrplan entwickelt. Dies geschah im Lichte der Ergebnisse einer durch Gerhard Bühler (FWG), Dorothee Kühne (SPD) und Siegfried Keppler (CDU) gerühmten Beteiligung der Öffentlichkeit mit Bürgerwerkstatt, vier Fachforen und rundem Tisch. Insgesamt nahmen 85 Personen teil; außerdem zählte ein Internetforum 4000 Besucher, die Plattform wurde 192 000 Mal angeklickt.
Obwohl das Bundesbauministerium diese Art der Planung als modellhaft bürgernah mit 53 000 Euro honoriert, üben die Grünen Kritik. Annette Weinreich hielt der Verwaltung vor, mit Tricks verhindern zu wollen, dass eine oberirdische Überquerung von Bahnanlagen und Friedrich-Ebert-Straße im Spiel bleibe. Bühler und Baubürgermeister Alexander Wetzig („Sie zeichnen ein Zerrbild“) hielten dagegen: Bis auf das Frauenforum hätten sich alle Beteiligten – Anwohner, Wirtschaftsvertreter, Verkehrsexperten, Stadtplaner – für eine unterirdische, 300 Meter lange Passage ausgesprochen. Unter Einbindung der heutigen Bahnhofsunterführung soll sie in möglichst direkter Linie die Schillerstraße mit der Fußgängerzone Bahnhofstraße verbinden, inklusive Abzweig Richtung künftiger Einkaufsgalerie Sedelhöfe.
Konsequenz des Disputs: Beim Realisierungswettbewerb, dessen Ausschreibung die Stadtpolitik bis zur Sommerpause anstrebt, ist die Alternative einer Überführung – über die Gleisanlagen existiert ja der neue Bahnhofssteg – keine Option mehr; ein entsprechender Antrag der Grünen wurde abgelehnt.
Zweiter Streitpunkt mit weniger klaren Frontenverläufen: Grüne und SPD (Hartmut Pflüger: „Die künftige Westerschließung des Hauptbahnhofs wird den Verkehr entzerren“) sind dafür, die Friedrich-Ebert-Straße auf zwei Fahrspuren zu reduzieren, was CDU und FWG kategorisch ablehnen. Herbert Dörfler, CDU: Durch die ICE-Neubaustrecke erhöhe sich die überregionale Bedeutung des Ulmer Hauptbahnhofs. „Da können wir die Erreichbarkeit nicht einschränken.“ Dagegen Birgit Schäfer-Oelmayer (Grüne): „Wir können dem Verkehr von morgen doch nicht mit Verkehrskonzepten von gestern begegnen.“
Ob der Architektenwettbewerb noch vor den Sommerferien ausgeschrieben werden kann, hängt laut Wetzig vom Verlauf der Grundstücksverhandlungen mit der Bahn ab. „Ohne dass wir ins Eigentum gehen, läuft nix“, kündigte Wetzig Flächenkäufe im großen Stil an. Um das Gesamtprojekt City-Bahnhof in seinen drei Entwicklungsphasen und 13 Einzelbausteinen bis etwa 2025 realisieren zu können, benötigt die Stadt 6,5 Hektar beidseits der Bahnanlagen (siehe Grafik). Anders als noch vor zwei Jahren, als die Bahn gar nichts habe verkaufen wollen, stehe man jetzt in konstruktiven Gesprächen, sagte Wetzig.
Ein Miniteil konnte die Stadt 2010 durch ihre Wohnungsbaugesellschaft UWS bereits kaufen: das Intercity-Hotel. Es ist noch keine 20 Jahre alt und bleibt definitiv stehen, wie Wetzig erklärte. Auch in diesem Fall den Grünen zum Trotz, hatte Stadträtin Sigrid Räkel-Rehner doch einen Abriss zur Diskussion gestellt, um ohne Bremsklötze vorbehaltlos planen zu können.
Ehe 2016 eine neue Bahnhofs- und Empfangshalle gebaut werden kann, muss die Stadt zunächst als ersten Baustein von Westen her an der Schillerstraße einen Zugang zu den Bahngleisen schaffen. Dieser Westbahnhof soll einem „sehr ehrgeizigen Zeitplan“ (Wetzig) vom Frühjahr 2015 an entstehen.
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