Ja, Abbruchgebäude haben wir in Ulm genug, aber leider dürfen sie in der Regel nicht zwischengenutzt werden.
Bei städtischen Gebäuden kann man sich da durchaus die Zähne ausbeißen, deshalb habe ich Anfang 2012, als wir den Bebaaungsplan für das Wohn- und Geschäftshaus am Ehinger Tor beschlossen hatten, voll auf den privaten Investor, Herr Munk von Munk Immobilien gesetzt.
Und siehe da, mit etwas goodwill seitens der Genehmigungsbehörden und viel Engagement seitens der Kulturschaffenden wurde die Kulturfahrschule geschaffen.
Nach 4 Monaten hat sie dann auch wieder schließen müssen, da eine Nutzung über den Winter sowieso nicht möglich gewesen wäre.
Inzwischen gab es auch Nachfolgeprojekte, selbst in einem städtischen Gebäude. Leider funktioniert die selbstbestimmte Zusammenarbeit der KünstlerInnen und Künstler nicht immer reibungslos, dennoch waren diese Projekte aus meiner Sicht eine Bereicherung für Ulm.
Aller Anfang ist schwer, dennoch müssen solche Zwischennutzungen unbedingt weiterhin möglich gemacht werden!
10.05.12 Platz für die Subkultur im Abrisshaus
31.05.12 Kulturfahrschule eröffnet
03.08.12 Ulmer Erfolgsgeschichte dieses Sommers: die Kulturfahrschule
Platz für die Subkultur im Abrisshaus
Das Eckhaus Ehinger Tor /Schillerstraße wird abgerissen. Bis die Arbeiter im Herbst anrücken, werden dort junge Künstler ihren Treff einrichten.
. Bis zu ihrem Umzug in die Ehinger Straße befanden sich auch die Geschäftsräume der Fahrschule Seitz am Ehinger Tor. In einem Gebäudekomplex, den die Firma Munk Immobilien gekauft hat, um ihn durch ein neues Einzelhandels-, Dienstleistungs-, Bürozentrum samt Wohnnutzung zu ersetzen.
Auf Initiative der Grünen Stadträtin Annette Weinreich hat sich Volker Munk bereit erklärt, die inzwischen nahezu leer stehenden Gebäude bis zum Abriss freien Künstlern zur Verfügung zu stellen. „Kultur Fahrschule“ ist das Projekt in Anlehnung an die ehemalige Fahrschule Seitz benannt, berichtet Weinreich. Am Dienstag habe auch die Verwaltung dem Projekt zugestimmt: Die kreative Arbeit könne beginnen. In Absprache mit Kultur- und Eventmanager Andreas Dukek-Haferkorn können sich jetzt Künstler aus dem Bereich der Subkultur in den Räumen einrichten.
Ihren Einzug haben schon bekundet die Kulturloge, deren Ziel ist, nicht verkaufte Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen kostenlos an Menschen mit geringem Einkommen weiterzugeben, Leute, die Mediengeschichten auf die Beine stellen, Fotografen, eine Roboter-Werkstatt, eine brasilianische Kampftanz-Initiative . . . Ins Haus kommen auch zwei Einrichtungen aus dem gastronomischen Bereich, berichtet Weinreich weiter. Die Smoothie Bar „Fruchtrausch“, die an der Ecke zur Schillerstraße von 8 bis 18 Uhr geöffnet haben werde. Und ein weiterer Betrieb, der eine Terrasse in Richtung Innenhof bis 1 Uhr nachts bewirtschafte.
Die „Kultur Fahrschule“ knüpfe an Projekte wie den “ Infopunkt“ im Ulmer Universum-Center an. Fünf Wochen lang gab es dort Konzerte, Filmabende und Kunstausstellungen in kurzzeitig leerstehenden Geschäfträumen. Offiziell eröffnet wird die „Kultur Fahrschule“ mit einem Fest am 1. Juni.
Kulturfahrschule eröffnet
Ein Jahr lang stand das Gebäude am Ehinger Tor leer, jetzt ziehen freischaffende Künstler ein. In der Kulturfahrschule stellen sie Bilder aus, veranstalten Workshops und tauschen sich aus. Am Samstag ist Eröffnung.
Gebäude anders zu nutzen als ursprünglich geplant, ist Ziel einiger junger Ulmer Kulturschaffender, federführend der Kulturmanager Andreas Dukek-Haferkorn und der Grafikdesigner Martin Leibinger. Ihr jüngstes Projekt war, das eher negativ wahrgenommene Universum Center mit Aktionen zu beleben. Im Visier haben sie auch leerstehende Gebäude, von denen es in einer Stadt meist zahlreiche gibt – oft Baracken, die abgerissen werden sollen und bis dahin ungenutzt vor sich hin gammeln. Das nächste Projekt ist in dem seit einem Jahr leerstehenden Munk-Gebäude am Ehinger Tor angesiedelt, das Ende des Jahres abgerissen wird. Kulturfahrschule heißt das Ganze, „weil in dem Gebäude früher eine Fahrschule war“, erklärt Dukek-Haferkorn. Das Thema Fahrschule zieht sich auch durch das Projekt-Konzept, das vier Hauptteile beinhaltet:
„Anfahren“, die Eröffnungsausstellung an diesem Samstag, zu der auch eine Band spielen wird. Außerdem gibt es eine Foto-Aktion und T-Shirts können bedruckt werden. Beginn ist um 16 Uhr.
„Wenden in drei Zügen“, die Wechselausstellung, die in den zahlreichen Räumen des Gebäudes zu sehen ist. Der Kontakt zu einem Großteil der Künstler wurde bereits im Universum Center geknüpft, berichtet Leibinger. Zunächst werden deren Werke gezeigt, sobald sich neue Künstler melden, wechselt die Ausstellung.
„Schulterblick“, die Atelierausstellung zur Kulturnacht. Das geräumige Gebäude bietet nicht nur Raum für Ausstellungen, vielmehr sollen Künstler hier auch Ateliers finden. In der Kulturnacht am 15. September lassen sie sich bei der Arbeit zusehen.
„Spurwechsel“, Kunst im öffentlichen Raum. Geplant sind Aktionen wie etwa der „Roboter-Flashmob“ von Mark Klawikowski. Die über drei Meter großen Roboter-„Kostüme“ aus Styropor werden zuvor in Workshops in der Kulturfahrschule gebaut.
Zudem sind die Räume frei für Workshops aller Art, angemeldet ist bereits einer für Capoeira-Trommeln. „Es sind nicht nur bildende Künstler willkommen“, betont Leibinger. Im Grunde könne jeder anfragen, der etwas beitragen möchte.
Da so viel Kunst garantiert durstig macht, hat das Fruchtrausch-Team eine Filiale in dem Gebäude eröffnet und wird auch bei der Überwachung der Räume helfen und Schlüssel verwalten. Und wer statt auf Smoothies lieber auf Bier steht, findet selbiges an der Bar auf der großen Außenterrasse, die Stefan Bausenhart, Wirt der Stadt Heidenheim, betreibt.
Geplant ist also einiges, jetzt müssen nur noch die Besucher kommen. Dukek-Haferkorn und Leibinger hoffen auf zahlreiche Laufkundschaft, liegt die Kulturfahrschule doch zentral am Ehinger Tor. Volker Munk, der das Gebäude bis Ende September mietfrei zur Verfügung gestellt hat und auch einen Teil der Strom- und Wasserkosten übernehmen will, sieht das Projekt jedenfalls sehr positiv: „Es ist schön, wenn Industriebrachen eine zweite, unkommerzielle Nutzung erfahren.“ Lobend äußert sich Grünen-Stadträtin Annette Weinreich, die sich für das Projekt eingesetzt und es mit angeschoben hat, auch über die Stadtverwaltung. „Toll, dass das mit den Genehmigungen so kurzfristig auf dem kleinen Dienstweg geklappt hat.“
Dass sie nach den ganzen Mühen in wenigen Monaten schon wieder aus ihrer Kulturfahrschule ausziehen müssen, sehen Dukek-Haferkorn und Leibinger im Übrigen sehr gelassen. „Städtischer Wandel ist auch eines unserer Themen.“ Auf Wandel, Flexibilität und spontane Aktionen sei folglich das gesamte Projekt ausgelegt. „Es soll sich immer etwas Neues ergeben.“ Und wie gesagt, kurzfristig leerstehende Bauwerke sollten in einer lebendigen Stadt keine Mangelware sein.
Eine Ulmer Erfolgsgeschichte dieses Sommers: die Kulturfahrschule
Allein der Name „Kulturfahrschule“ klingt schon nach Bewegung: Tatsächlich ist diese temporäre Kultur-Location am Ehinger Tor ziemlich ins Rollen gekommen und angesagt. Die freie Szene dankts.
In einer Garage zeigen junge Schauspieler ihr Stück „Arabischer Frühling“, während im Hof letzte Vorbereitungen zu einer Fahrrad-Performance laufen, und im ersten Stock bereitet sich eine Band schon auf ihren Gig vor. Nur eine Momentaufnahme aus der Kulturfahrschule. In deren Räumen wird dieser Tage ziemlich viel geboten.
Denn dort, wo Munk Immobilien einen neunstöckigen Büro- und Wohnkomplex namens „Das Y“ bauen will, findet derzeit Kultur von A bis Z statt. Die Lage ist ideal: direkt am Ehinger Tor, in einem Abrisshaus. Wenn eine Wand also mal Kratzer abbekommt – seis drum. Und mehr als 1000 Quadratmeter Platz bedeutet viel Raum für Ideen.
Die Kulturfahrschule – in den Räumen residierte einst unter anderem die Fahrschule Seitz – ist aus privater, ehrenamtlicher Initiative entstanden. Grünen-Stadträtin Annette Weinreich hat das „Zwischennutzungsprojekt“ mit angeschoben, die Stadtverwaltung verhielt sich recht unbedenkenträgerisch, zudem gibt es ins Kulturhauptamt einen guten Draht. Die Stadtwerke sind mit im Boot, und die Firma Munk sieht das Projekt ebenfalls positiv. Reibereien mit Anliegern? Sind – Stichwort Lärm – nicht zu leugnen, aber halten sich im Rahmen.
Anfang Juni wurde die Kulturfahrschule eröffnet, Anfang Juli begann das Veranstaltungsprogramm. In wenigen Wochen hat sie sich vom Geheimtipp zur festen Größe im Kulturleben entwickelt. Es ist spürbar, dass Zelt-Saison, Donaufest und Flussmeisterei vorbei sind und das Roxy Ferien macht. Was den Publikumszuspruch betrifft, „ist es ein absoluter Erfolg“, sagt Martin Leibinger, „und es werden immer mehr.“ Der Grafikdesigner koordiniert das Projekt mit dem Eventmacher Andreas Dukek-Haferkorn und dem Musiker Reinhard Köhler.
In der Kulturfahrschule geben Bands recht kurzentschlossen Konzerte, dank Facebook schauen dann eben doch 100 Leute vorbei. Und wenn jemand, wie am Schwörmontag, einen Jarmusch-Film ans Nachbargebäude projizieren will, geht auch das – eher ein Schattenspiel, aber doch eine atmosphärische Bereicherung.
Ohnehin findet in der Kulturfahrschule stets mehr als nur eine Sache statt. Die Kulturloge ist eingezogen, es gibt Foto-Aktionen und Poetry Slams, Konzerte und Theateraufführungen. Der geräumige, verwinkelte Häuserzug bietet zudem Flächen, Wände und Ecken für Ausstellungen, Installationen und Performances. Im Keller leitet Mark Klawikowski einen Workshop im Roboter-Basteln. Hinzu kommt ein eigener Internet-TV-Sender. Die Bar „Oberdeck“ hat sich zum angesagten Nachtschwärmer-Treff entwickelt, und eine „Fruchtrausch“-Filiale bietet Vitamine.
Selten trifft der Begriff „work in progress“ so zu wie hier. Alles ist im Fluss, alles ist temporär und spontan. Inspiration und Improvisation sind Trumpf. Das Projekt verknüpft Kunst, Architektur und öffentlichen Raum. Das zentrale Thema lautet dabei, wie könnte es anders sein, „Wandel“. Teile des Projekts tragen fahrschulmäßige Titel wie „Anfahren“, „Wenden in drei Zügen“, „Schulterblick“ und „Spurwechsel“. Apropos Wechsel: Am 11. August werden die – sehenswerten – Ausstellungen wieder gewechselt.
Der Bedarf der Kulturszene an einem solchen Spiel-, Experimentier- und auch Spaßort scheint enorm zu sein. Allein am vergangenen Wochenende gab es eine Aufführung des AdK-Jugendclubs, zwei Performances in Susanne Maiers „Zyklus“-Reihe, eine Vorführung interaktiver Filmprojekte von Talenten des Studiengangs Digital Media der Hochschule Ulm und zwei Konzerte. Programm findet jeden Donnerstag, Freitag und Samstag statt, montags ist Jam Session und Künstlerstammtisch. „Wir werden mit Anfragen überschwemmt“, sagt Dukek-Haferkorn, „und könnten bis Jahresende weitermachen.“
Dazu wird es nicht kommen. Die Kulturnacht am 15. September wird das Highlight, am 30. September ist Schluss – dann kommt die Abrissbirne. Die Kulturfahrschule soll aber präsent bleiben, die jetzt etablierte Marke möchten die Macher, die zuvor das Universum-Center mit Aktionen belebt hatten, unbedingt erhalten. „Wo und in welcher Form, wissen wir noch nicht“, sagt Leibinger, „virtuell auf jeden Fall“.
Und die Finanzen? „Wir werden wohl auf Null rauskommen.“ Sponsoren werden zwar gesucht, das laufe freilich eher „mau“.
Sonst aber ist an der Kulturfahrschule kaum etwas mau: Wird das Gebäude auch abgerissen, so ist die Idee nun in der Welt.
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