Anfang August habe ich einen Brief an die Herren Dr. Nils Schmid, Rainer Stickelberger, Jürgen Filius, Tim von Winning und Wilmuth Lindenthal geschrieben, mit der Bitte, sich das mit dem Abriss des Justizhochhauses in der Olgastraße Ulm doch noch einmal zu überlegen.
www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Stadtraetin-will-Justizhochhaus-erhalten;art4329,3384009
Etliche Gründe sprechen dafür.
In Zeiten, in denen das Bewusstsein für graue Energie, also die Energiemenge, die für die Herstellung, den Transport, Verkauf und die Entsorgung der Baustoffe von der Rohstoffgewinnung an eingesetzt werden muss, immer mehr an Gewicht erfährt und gleichzeitig das Neubauen immer teurer wird, müssen die Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Abriss oder Erhalt neu überdacht werden.
Gleichzeitig verkörpert dieses Gebäude mit seiner klaren Hochhauskonzeption eine neue Denkweise der damaligen Zeit bezüglich der Erfordernisse an die Architektur.
In dem Buch „Ulm, Bauten der 50er und 60er Jahre“ von Karl Foos und vielen weiteren Architekten wird über dieses Gebäude geschrieben:
„Diese Hochhauskonzeption steht auch für eine neue demokratische Auffassung in der Justiz als sichtbares Zeichen neben dem wilhelminischen Justizpalast, der weiterhin obrigkeitsstaatliches Denken ausstrahlt“.
Eine offizielle Antwort gibt es noch nicht, dafür aber große Kritik über die Presse seitens des leitenden Oberstaatsanwalt Christof Lehr und Herrn Lindenthal vom Landesamt für Vermägen und Bau.
www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/Justizhochhaus-Gebaeude-nicht-mehr-tragbar;art4329,3387234
So einfach lasse ich mich hier aber nicht abspeisen:
Mit dieser Reaktion der Betroffenen war zu rechnen. Nichts anderes habe ich erwartet. Dennoch halte ich an meinem Vorschlag das Justizhochhaus zu erhalten fest.
Im Einzelnen:
„Der Brief kommt spät, sehr spät – und wie es scheint, sogar zu spät.“
Es ist niemals zu spät, so lange das Gebäude noch steht. Es ist dann zu spät, wenn es abgerissen wurde.
„Ein Vorschlag, der vor Jahren hätte diskutiert werden können. Jetzt aber stößt er auf Ablehnung: „Architekten scheinen die Welt anders wahrzunehmen als die Nutzer“.“
Bereits vor Jahren habe ich diesen Vorschlag gemacht, bereits damals wollte man darüber keinesfalls diskutieren. Architekten nehmen die gebaute Umgebung tatsächlich etwas anders wahr als die Nutzer, nämlich ganzheitlich und nicht nur auf die eigene Nutzung beschränkt.
Der Verweis auf die untragbaren sanitären Anlagen und Fenster ist unnötig, deswegen soll das Gebäude ja saniert werden. Die Kosten mögen sicherlich hoch sein, aber sie sind garantiert günstiger als ein Neubau. Selbst bei gleicher Höhe pro qm wäre eine Sanierung erstrebenswert aus städtebaulichen und historischen Gründen.
Wenn der Behördenleiter sich in seinem ästhetischen Empfinden gestört fühlt, kann dies noch lange kein Grund sein, gewachsene Strukturen mit einer symbolischen Aussage einfach entfernen zu lassen. Ein saniertes Justizhochhaus hat ausserdem sicherlich auch einen gestalterischen Anspruch, der sich mit den Neubauten messen lassen kann.
2010 gab es den Wettbewerb, bereits Jahre zuvor wurden die Wirtschaftlichkeitsberechnungen angeblich schon gemacht. Das unterstützt meine These, dass sich das Verhältnis aus heutiger Sicht umso mehr verschoben hat. Die Teuerungsrate beim Bau ist um an die 10 % gestiegen, die gebaute Substanz ist daher im Wert gestiegen.
Ebenfalls ist die Wirtschaftlichkeitsberechnung abhängig von der Nutzung. Bei Wohnungen ist es oft schwieriger, vernünftige, barrierefreie Grundrisse im Bestand hinzubekommen. Beim Bürogebäude sieht das wieder ganz anders aus. Bei einem sehr klar strukturierten Grundriss, wie es beim Justizhochhaus der Fall ist, lassen sich viel einfacher die neuen Nutzungen unterbringen.
Es gibt inzwichen etliche Beispiele, bei denen eine Sanierung einer Gewerbeimmobilie dem Abbruch und Neubau vorgezogen wurde.
Wenn man bei den Wirtschaftlichkeitsberechnungen endlich auch einmal ehrlich wäre und u.a. auch die Graue Energie mit einbeziehen würde, sähen viele Abrissszenarien anders aus.
Hier nur ein paar Beispiele:
Sanierung des Druckereigebäudes in Karlsruhe
Sanierung des Verwaltungsgebäudes der Entsorgungsbetriebe Remscheid mit Wagenhalle
Baukosten und Wirtschaftlichkeit:
„Die Sanierung samt Umbau konkurrierte zu Beginn mit der Alternative eines Neubaus inklusive Abriss des Bestandsgebäudes. In einer Machbarkeitsstudie konnte gezeigt werden, dass ein Neubau bei gleichem Ausführungsstandard etwa 40 Prozent teurer gewesen wäre.
Diese Kalkulation wurde im weiteren Projektverlauf bestätigt.“
Viele weitere Bespiele könnte ich nennen – und es werde immer mehr, da sich das Delta Rentabilität zwischen Abriss und Neubau zu Sanierung. täglich vergrößert durch die enorme Teuerungsrate beim Neubau.
Klar, eine Sanierung ist immer etwas kniffliger als ein Neubau – aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Stadträtin will Justizhochhaus erhalten
Die Grünen-Stadträtin Annette Weinreich will das Justizhochhaus an der Olgastraße erhalten. Das regt die Freie Architektin in einem von ihr allein unterzeichneten Schreiben an die Finanz- und Justizminister Dr. Nils Schmid und Rainer Stickelberger an.
Das Gebäude soll abgerissen werden, sobald der derzeit im Hinterhof entstehende Neubau fertiggestellt ist. Geplant ist obendrein auch das Nebengebäude abzureißen und durch einen zweiten Neubau zu ersetzen. Beide Bauten sollen von Staatsanwalt, sowie von Amts- und Landgericht genutzt werden, die auf mehrere Stellen in der Stadt verteilt sind. Wie Weinreich schreibt, sei das 1962 bezogene Justizhochhaus als „Ausdruck einer neuen demokratischen Auffassung in der Justiz“ gefeiert worden. Ein Abriss sei längst nicht notwendig und aus historischer Sicht nicht sinnvoll. Außerdem könne bei der üblichen Teuerungsrate im Bausektor eine Instandsetzung „nicht maßgeblich teurer“ sein als der Neubau. Und schließlich argumentiert sie aus ökologischer Sicht, aus der die gebaute Substanz als graue Energie erhalten werden solle. Im Innenbereich lasse sich das Bestandsgebäude „sicherlich sehr einfach umorganisieren“, heißt es in dem Schreiben weiter, das auch an Landtagsabgeordneten Jürgen Filius (Grüne), Baubürgermeister Tim von Winning und Wilmuth Lindenthal vom Landesamt Vermögen und Bau gegangen ist.
Justizhochhaus: Gebäude nicht mehr tragbar
Mit ihrem breit gestreuten Vorschlag, das Justizhochhaus an der Olgastraße doch zu erhalten, hat sich Grünen-Stadträtin Annette Weinreich keine Freunde gemacht. Vor allem nicht bei den Betroffenen.
Der Brief kommt spät, sehr spät – und wie es scheint, sogar zu spät. Vergangene Woche hat die Grünen-Stadträtin und freie Architektin Annette Weinreich einen Vorschlag unterbreitet und davon auch die Finanz- und Justizminister des Landes in Briefen in Kenntnis gesetzt. Ihr Ziel: Das im Volksmund Paragrafensilo genannte Justizhochhaus aufgrund seiner architektonischen Wichtigkeit an der Olgastraße grundlegend zu sanieren und zu erhalten.
Ein Vorschlag, der vor Jahren hätte diskutiert werden können. Jetzt aber stößt er auf Ablehnung: „Architekten scheinen die Welt anders wahrzunehmen als die Nutzer“, legt der Leitende Oberstaatsanwalt Christof Lehr seine sonstige Zurückhaltung ab und macht klar, was er von dem Vorschlag hält: nichts!
Als Chef der in dem Gebäude untergebrachten Behörde, verweist er nur auf die niemandem mehr zumutbaren sanitären Anlagen und die undichten alten Fenster, die von vielen Kollegen im Winter mit Paketband abgeklebt werden, damit der kalte Wind nicht so durch die Ritzen zieht. „Das Gebäude ist mit vernünftigen Kosten nicht zu sanieren und schlichtweg nicht mehr tragbar“, sagt Lehr.
Im Übrigen müsse man das Gesamtkonzept sehen, merkt der Behördenleiter an. Im Hof werde bereits am Neubau gearbeitet, und in der Nachbarschaft sei mittlerweile die neue dreigeschossige Turnhalle für Kepler- und Humboldt-Gymnasium fertiggestellt. Da würde das Justizhochhaus mit seiner aus Sicherheitsgründen mit einem Netz abgehängten Fassade nicht mehr dazupassen. Lehr: „Das stört mein ästhetisches Empfinden sehr.“
Ähnlich argumentiert Wilmuth Lindenthal vom Landesamt Vermögen und Bau, der den Prozess im Vorfeld begleitet hat. Der Wettbewerb zu dem jetzt begonnenen Neubau habe bereits im Jahr 2010 stattgefunden. Und schon Jahre davor seien verschiedene Untersuchungen zur Gebäudestruktur gemacht worden, „die haben keinen anderen Schluss als Neubau und Abriss zugelassen“. Außerdem sei die Qualität des Gebäudes nicht so hoch zu bewerten, jedenfalls sei es trotz Prüfung nicht in die Denkmalliste aufgenommen worden.
Durch den Neubau im Hinterhof sei es aus sicherheitstechnischen Gründen außerdem nicht möglich, das Hochhaus stehen zu lassen. Die zwei Bauten stünden zu eng aufeinander, das ließe der Brandschutz niemals zu. Außerdem hätte bei einer Sanierung für die Staatsanwaltschaft so sehr in das filigrane Treppenhaus eingegriffen werden müssen, dass von dem eventuell schützenswerten Detail nicht mehr viel übrig geblieben wäre. An dem Abriss führe kein Weg vorbei.
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